Persönliche Erklärung zum Aufruf "Die Waffen müssen schweigen"

01. September 2022

Der Aufruf vom 27.08.2022 „Die Waffen müssen schweigen!“, den ich mitunterzeichnet habe, ist in weiten Teilen so verstanden worden, dass ich es für angemessen halte, mich zu erklären und einiges richtig zu stellen und zu korrigieren. Außerdem bedaure ich zulässige Deutungen, die ich aber so nie beabsichtig habe.

In dem Aufruf, den ich heute mit einigem Abstand sehe, wurde versäumt, das pazifistische Dilemma offenzulegen. Der Wunsch nach Frieden als edles Gefühl und grundsätzlich richtige Forderung scheitert leider an der politischen Realität unserer Zeit. Dadurch, dass der Aufruf diesen inneren Widerspruch nicht klar benennt, kann der Eindruck entstehen, der Aufruf richte sich einseitig an die Ukraine und fordere diese auf, einen Frieden zu russischen Bedingungen zu akzeptieren. Ich bedaure diese Missverständlichkeit zutiefst. Unbedingt möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass einzig und allein die souveräne Ukraine zu entscheiden hat, wie und zu welchen Bedingungen sie Frieden schließt. Bis dahin ist es die Aufgabe der verbündeten Staaten, also auch unsere als Bundesrepublik Deutschland, die Ukraine bei ihren Verteidigungsanstrengungen zu unterstützen. Ich bekenne mich also weiterhin offen zu meinem Wunsch nach Frieden, möchte aber darauf hinweisen, dass mir die momentane Unerreichbarkeit dieses Wunsches bewusst ist, was man daran erkennen kann, dass ich am 28.04. für die Waffenlieferungen gestimmt habe und heute noch die Notwendigkeit sehe, diese fortzusetzen.

Die Ukraine als souveräner Staat hat allein über ihre Verteidigungsanstrengungen zu entscheiden. Dies habe ich seit Beginn des Angriffskrieges in einer Vielzahl von Schreiben Bürgerinnen und Bürgern mitgeteilt, die putinsche Narrative an mich herangetragen haben und verlangt haben, die Unterstützung für die Ukraine einzustellen. Exemplarisch hierfür steht etwa meine Antwort an einen Wahlkreisbürger vom 15.08.: „Ich wünsche mir sehnlich Frieden in Europa, muss Ihnen aber sagen, dass ich nicht bereit bin, einen souveränen Staat in Verhandlungen mit einem Kriegsgegner zu treiben, der offen erklärt, dass sein Krieg auf die Beendigung der ethnischen, politischen und kulturellen Kontinuität des ukrainischen Volkes gerichtet ist und der mit dem Massaker von Butscha und den sog. Filtrationslagern bewiesen hat, dass er vor verbrecherischen Mitteln nicht zurück schreckt.“

Im Nachhinein ist mir klar, dass sich dieser innere Zwiespalt auch im Aufruf vom 27.08. hätte ausdrücken müssen.

Auch im Rahmen meiner Arbeit im Wahlkreis bin ich mit dem schrecklichen Elend des Krieges konfrontiert worden, so etwa beim Besuch von ukrainischen Geflüchteten, beim Austausch über Regensburgs Partnerstadt Odessa und bei der Unterstützung von humanitären Hilfsorganisationen aus Regensburg. Die Perspektive des ukrainischen Volkes hätte sich im Aufruf deutlich ausdrücken müssen. So wäre vielleicht klar geworden, dass sich kein einfacher Wunsch nach Frieden und sofortigem Waffenstillstand formulieren lässt, sondern dass dieser höchste Gefahr läuft, den russischen Angriffskrieg zu belohnen und die Ukraine auf Dauer zu schwächen. Vor dem Hintergrund der russischen Kriegsführung und ihrer erklärten politischen Zielsetzung, die auf die Vernichtung der Ukraine als souveränen Staat gerichtet ist, scheint die Sehnsucht nach Frieden leider nicht nur naiv, sondern zu meinem Bedauern ist sie dies wohl auch. Ich hege die Hoffnung, dass der Frieden aus einer Position der ukrainischen Stärke heraus als freie Entscheidung der Ukraine realisiert wird.

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