Offener Brief an das Bistum Regensburg und Generalvikar Dr. Roland Batz zu seiner Kritik an den Plänen der Ampel-Koalition im Bereich Schwangerschaftsabbruch

08. Dezember 2021

Das Bistum Regensburg hat eine Pressemitteilung verfasst, in der die Vorhaben der Ampel-Regierung im Bereich "Schwangerschaftsabbruch" scharf kritisiert werden. Auf diese Kritik reagiere ich mit einem offenen Brief.

Sehr geehrter Herr Generalvikar,

ich wähle diesen offenen Brief als Widerspruch gegen Ihre öffentlich geäußerte Kritik an den Plänen der Ampel-Koalition in Sachen Schwangerschaftsabbruch nicht nur als Bundestagsabgeordnete, sondern auch als Frau. Der Koalitionsvertrag sieht u.a. vor, den §219a StGB zu streichen und es somit Ärztinnen und Ärzten straffrei zu ermöglichen, etwa auf deren Praxiswebsite zu informieren, dass sie zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen bereit sind und ggf. auch welche Methode sie dafür anwenden. Diese grundlegenden Informationen den betroffenen Frauen nur erschwerend zugänglich zu machen – wie es aktuell wegen des genannten Gesetzes der Fall ist – folgt dem Prinzip, einen Mantel des Schweigens über eine drängende Frage zu werfen und zu meinen, damit würde ungeborenes Leben geschützt.

Mein Fokus im Umgang mit ungewollten Schwangerschaften liegt nicht darauf, die betroffenen Frauen und die zur Durchführung bereitstehenden Ärztinnen und Ärzte zu kriminalisieren und ihnen den Weg zu einem wohlüberlegten Abbruch mit möglichst hohen und vielen Hürden zu versperren. Mein Fokus liegt vielmehr darin, dass ungewollte Schwangerschaften möglichst vermieden werden, denn – und hiervon bin ich überzeugt – ein Schwangerschaftsabbruch ist kein Eingriff, den betroffene Frauen mit einem Achselzucken leichtwillig in Kauf nehmen. Ein Blick in andere Länder, z.B. Kanada, zeigt: Die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen führt zu einer geringeren Abbruchquote. Daneben halte ich die sexuelle Aufklärung in der Schule und die kostenlose Bereitstellung von Verhütungsmitteln als weitere essentielle Werkzeuge, um ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden. Letzteres ist im Koalitionsvertrag ebenfalls vorgesehen.

Ferner möchte ich darauf hinweisen, dass der aktuell noch geltende §219a StGB natürlich eine Gefährdung der Gesundheit der betroffenen Frauen darstellt. Zahlreiche Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, werden von sog. „Lebensschützern“ regelrecht drangsaliert. Leider führt dies u.a. dazu, dass die Bereitschaft unter der Ärzteschaft sinkt, Abbrüche vorzunehmen. Eine wohnortnahe Versorgung mit Fachpersonal ist somit etwa aktuell in weiten Teilen Niederbayerns, Schwabens und auch der Oberpfalz nicht mehr gegeben. Die engen zeitlichen Fristen, die im §218 StGB zur straffreien Umsetzung eines Abbruchs vorgegeben sind, führen vor diesem Hintergrund der nicht ausreichenden Versorgung zur gesundheitlichen Gefährdung der betreffenden Frauen – deshalb sind Maßnahmen zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen natürlich als Gesundheitsversorgung zu bezeichnen.

Dem im Mittelpunkt Ihrer Kritik stehenden Ausgangspunkt – dem Schutz des ungeborenen Lebens – möchte ich einen anderen Ausgangspunkt entgegenstellen: Das Recht der Frauen auf sexuelle Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben, was eben auch die reproduktive Freiheit einschließt und u.a. in der UN-Frauenrechtskonvention festgeschrieben ist.

Abschließend möchte ich anmerken, dass sich diejenigen Proteste, die als „Gehsteigbelästigung“ bezeichnet werden und künftig richtigerweise strafrechtlich verfolgt werden können, in der Regel eben gerade nicht als „stiller, friedlicher Protest“ geäußert haben. Ehrlicherweise handelt es sich dabei um Protestaktionen vor Beratungsstellen, Krankenhäusern oder Arztpraxen, bei denen die jeweils eintretenden Personen oder MitarbeiterInnen durch Plakate mit oft abschreckenden Bildern oder gar durch Puppen von Föten oder an Kreuzen bedrängt, beschimpft und eingeschüchtert werden! Diese Art des Protestes als „in bester demokratischer Tradition“ stehend zu bezeichnen, kritisiere ich hiermit scharf. Stiller und friedlicher Protest sieht meiner Meinung nach anders aus und wird auch weiterhin zum Thema Schwangerschaftsabbruch möglich sein.

Ich möchte Sie bitten, sich weiterhin für die beste Betreuung und Versorgung von schwangeren Frauen einzusetzen gerade auch mit Blick auf diejenigen, die vermeintlich unüberwindbare Hürden durch ungeplanten Nachwuchs sehen. Diejenigen Frauen, die sich aber nach reiflicher Überlegung für einen Abbruch einer Schwangerschaft entscheiden, bitte ich mit gleicher bester Betreuung und Versorgung versehen zu wollen und diese Entscheidungen auch zu respektieren.

Dr. Carolin Wagner, MdB

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