Über das Bürgergeld kursieren viele Falschaussagen. Außerdem verhetzen CDU/CSU und AfD diese Sozialleistung und machen Stimmung gegen die Ärmsten unserer Gesellschaft. Zeit für einen Faktencheck!
Behauptet wird: Wer Bürgergeld bekommt, hat mehr als diejenigen, die arbeiten gehen.
Wahr ist: Wer arbeitet, hat immer mehr Geld in der Tasche, als jemand, der nicht arbeitet. Das Bürgergeld gilt als Existenzminimum - damit lebt man also ständig an der Armutsgrenze. Der Bürgergeldsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen beträgt 563€ im Monat! Wer alleinstehend ist und Vollzeit zum Mindestlohn arbeitet, hat über 500€ MEHR Geld, als jemand, der Bürgergeld bezieht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund* rechnet vor: Ein Vollzeit-Arbeitnehmer hat bei einer 38-Stunden-Woche 1.515€ netto zur Verfügung, während der Bürgergeld-Empfänger mit dem Regelsatz und weiterer Leistungen wie Heizkosten oder Wohngeld 995€ erhält. Bei Familien ist die Differenz um ein paar hundert Euro höher – je nach Alter der Kinder. Demnach hat jemand, der arbeitet und alle Sozialleistungen in Anspruch nimmt, immer mehr verfügbares Einkommen als jemand, der nicht arbeitet und nur Sozialleistungen bekommt. Der Grund dafür: Erwerbstätige können Freibeträge bei der Anrechnung von Einkommen auf die Sozialleistungen nutzen. Und ebenfalls wichtig: Wer arbeitet, erwirbt auch Rentenansprüche.
Behauptet wird: Menschen im Bürgergeld wollen gar nicht arbeiten
Wahr ist: Die allermeisten Menschen wollen für sich selbst sorgen und nicht länger als nötig staatliche Hilfe in Anspruch nehmen. Nur ein sehr kleiner Teil, nämlich 0,4 Prozent aller Menschen im Bürgergeld verweigern tatsächlich Arbeit.
Hier alle Zahlen:
Derzeit gibt es 5,5 Millionen Menschen im Bürgergeld, darunter 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche.
Über 2 Millionen Menschen im Bürgergeld sind aus bestimmten Gründen nicht in der Lage zu arbeiten, etwa wegen Krankheit oder fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten.
Etwa 800.000 Bürgergeldbeziehende sind "Aufstocker", d.h. sie arbeiten, brauchen aber zusätzlich finanzielle Unterstützung vom Staat, weil ihr Lohn nicht für ein auskömmliches Leben reicht.
Rund 1,7 Millionen Menschen im Bürgergeld sind arbeitslos, aber arbeitsfähig. Die meisten hiervon suchen Arbeit oder sind in Qualifizierungsmaßnahmen. Ein geringer Anteil aus dieser Gruppe, etwa 16.000 Menschen, verweigern sich der Vermittlung in Arbeit oder Weiterbildung. Das sind also gerade mal 0,4 Prozent aller Menschen im Bürgergeld!
Fazit: Die meisten Menschen im Bürgergeld können aus triftigen Gründen nicht arbeiten oder suchen Arbeit oder machen eine Maßnahme. Nur sehr wenig Menschen im Bürgergeld wollen nicht arbeiten und verweigern sich den Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit.
Behauptet wird: Wir brauchen härtere Sanktionen für Arbeitsverweigerer
Wahr ist: Wie oben gezeigt wurde, ist die Anzahl der tatsächlichen Arbeitsverweigerer sehr gering. Sie ist sicherlich auch deshalb sehr gering, weil es ja gerade jetzt auch schon Sanktionen gibt. Wer zumutbare Arbeit oder Angebote zur Qualifizierung ohne Grund ablehnt, muss mit Leistungsminderungen von bis zu 30 Prozent rechnen. Diese Sanktionen werden auch durchgeführt. Es gibt trotzdem eben noch diese geringe Zahl an Menschen, die Arbeit verweigern.
Für mich ist klar: Diese Menschen haben vielfältige Probleme, mit denen sie höchstwahrscheinlich auch keine Arbeit zuverlässig - sprich: jeden Tag - verrichten werden können. Ich denke nicht, dass noch härtere Sanktionen diese wenigen Menschen in Arbeit bringen werden, sondern das ist ein Schein-Argument, das ohne Effekt bleiben wird!
Behauptet wird: Das Bürgergeld führt zu einer Erhöhung der staatlichen Sozialleistungen.
Wahr ist: Das Bürgergeld ersetzt seit 2023 die bisherigen Hartz-IV-Leistungen und bietet eine Grundsicherung, die an die Lebenshaltungskosten angepasst ist.
In 2023 gab die Bundesagentur für Arbeit rund 42,6 Milliarden Euro für das Bürgergeld aus – weniger als 7% des gesamten Bundeshaushalts. Deutschland liegt damit im europäischen Mittelfeld. Italien und Frankreich geben deutlich mehr für Sozialausgaben aus (ca. 30% des Bruttoinlandsprodukt während Deutschland auf 26,7% liegt). 2024 haben wir die Regelsätze für das Bürgergeld um zwölf Prozent erhöht. Diese Erhöhung um 61€ war mit Blick auf die gestiegene Inflation und teuren Lebensmittelpreise gerechtfertigt. Für 2025 steht eine Nullrunde an.
Fazit: Politische Kräfte, denen das Sozialstaatsprinzip nicht viel wert ist - also das Prinzip, dass man sozial aufgefangen wird, wenn man in unverschuldet in Not gerät - werden jede Sozialausgabe im Bundeshaushalt als Klotz am Bein verunglimpfen! Ich aber will in einem Land leben, in dem man sich auf so ein staatlich-soziales Sicherheitsnetz verlassen kann!
Behauptet wird: Das Bürgergeld lockt Geflüchtete ins Land
Wahr ist: Es kursieren viele Behauptungen rund um Flucht und Migration und dem Bürgergeld, die aber falsch sind oder Kontext vermissen lassen. So sagte die AfD-Vorsitzende Alice Weidel im November 2023 im Bundestag, dass 62 Prozent der Bürgergeldbeziehenden Familien keinen deutschen Pass hätten. Das ist falsch!
Richtig ist: 62 Prozent der Personen in Bürgergeld-Haushalten hatten zu diesem Zeitpunkt (Sommer 2023) laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit einen Migrationshintergrund! Hierzu gehören natürlich auch deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, von denen mind. ein Elternteil im Ausland geboren wurde. Außerdem fallen unter diese 62 Prozent auch Kinder sowie ältere oder kranke Menschen mit Migrationshintergrund, von denen viele vor dem Bürgergeldbezug gearbeitet haben!
Übrigens: Die Beschäftigungsquote syrischer Männer liegt deutlich HÖHER als die Beschäftigungsquote von Männern allgemein auf dem deutschen Arbeitsmarkt!
Von den 1,2 Millionen ukrainischen Geflüchteten, die zu uns gekommen sind, waren im März 2024 722.000 Personen im Bürgergeld, davon 200.000 Kinder und 320.000 in Ausbildung oder Aufstockende. Nur 186.000 ukrainische Geflüchtete waren also arbeitslos. Diese Zahlen sind kleiner als oft behauptet und zeigen, dass die Mehrheit der Geflüchteten arbeiten und sich integrieren möchte. Da insb. viele Frauen mit Kindern aus der Ukraine geflüchtet sind, ist es für viele Ukrainerinnen wegen Kinderbetreuung schwer möglich, eine Arbeit aufzunehmen.
Reguläre Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus anderen Ländern als der Ukraine haben hingegen keinen Anspruch auf das Bürgergeld! Sie erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die unter dem Bürgergeld-Niveau liegen.
Aus der Migrationsforschung wissen wir, dass Migration viele Ursachen hat. Die Gründe für Migration primär in ökonomischen Anreizen zu suchen, greift viel zu kurz.
Fazit: Das Bürgergeld war ein echter Neustart. Und der war nötig, weil sich die Lage am Arbeitsmarkt im Vergleich zur Situation vor zwanzig Jahren grundlegend geändert hat. Das Bürgergeld steht für einen Sozialstaat, der Menschen auffängt, wenn sie in Not geraten. Außerdem legt das Bürgergeld den Fokus auf Qualifizierung und Weiterbildung, wodurch Betroffene Aussicht auf bessere Arbeitsplätze erhalten und eben nicht von einer Hilfsarbeit zur nächsten geschoben werden. Großzügigere Regeln zum Schonvermögen und Wohnraum in den ersten 12 Monaten des Leistungsbezugs schützen diejenigen, die viele Jahre gearbeitet haben und plötzlich arbeitslos werden und eine kurze Zeit brauchen, um sich neu zu orientieren.
Hinweis: Der Text basiert auf einem Bericht des Deutschlandfunks
* DGB-Berechnung einzusehen hier